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Ein kurzgefasster geschichtlicher Rückblick über das Kirchspiel Menslage

Kirchwinkel Menslage

Viele Heimatforscher wie Rothert, Dühne, Hoffmeyer, Berner, Ostendorff, um nur einige zu nennen, haben verdienstvolle Arbeiten über die Geschichte unserer Heimat in Büchern oder Heimatschriften veröffentlicht. Aus dieser reichen Fülle von Informationen sollen hier in aller Kürze die wesentlichen Daten zusammengestellt werden, die für die geschichtliche Entwicklung des Kirchspieles Menslage von besonderer Bedeutung sind.
Wann unsere Heimat von sesshaften und Ackerbau treibenden Bewohnern besiedelt wurde, lässt sich nicht exakt angeben. Funde von Geräten aus der Steinzeit und Urnen aus der Bronze- und Eisenzeit deuten aber auf eine Besiedelung zu der Zeit um etwa 1500-1000 v. Chr. hin. Die erste verlässlichere Nachricht über unsere Vorfahren stammt von dem römischen Historiker Tacitus etwa um 100 n. Chr. Er nennt die im hiesigen Raum wohnenden Germanen Chasuarier. Möglicherweise ist deren Name in dem des Hasegaues fortgeführt worden.
Im dritten Jahrhundert n. Chr. begannen die Sachsen, Nordwestdeutschland zu erobern. Sie bildeten eine herrschende Oberschicht und beließen ihren blutsverwandten Untertanen ihre Kultur und wohl auch ihre Besitzungen. Verwaltungsmäßig gehörte unser Raum zum Hasegau mit Löningen als Mittelpunkt. Aus dieser, auch als altsächsisch bezeichneten Zeit, leiten die Historiker die Zeitpunkte für die Entstehung der einzelnen Ortschaften aus der Analyse der Flur- und Siedlungsformen ab. Die Urform einer Siedlung ist das Eschdorf mit der typischen schmalen Langstreifenflur in Gemenglage. Die Wohnhäuser liegen zumeist in einer unregelmäßigen Reihe, wie dies heute noch in Bottorf zu erkennen ist an den Höfen Albers, Wachhorst, Lübbers. Oing, Eickhorst-Wolke. Diese Siedlungsform ist wahrscheinlich schon in der vorsächsischen Zeit entstanden, wurde unter den Sachsen beibehalten und bei Bevölkerungszunahme ausgedehnt. Aus dieser Zeit stammen nach dieser Theorie die Bauerschaften Bottorf, Schandorf, Herbergen und Andorf mit insgesamt etwa 18 Hofstellen. Daneben werden im Menslager Raum auch verschiedene Einzelhöfe als Besitz von sächsischen Edelleuten vermutet wie z.B. in Wierup, Hahlen, Menslage und Borg. Diese, wahrscheinlich burgähnlichen Güter wurden später in der fränkischen Zeit wieder aufgeteilt oder wie in Menslage in einen Meierhof umgewandelt.
Die fränkische Zeit begann um 800 n. Chr. mit der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen. Diese Eroberung brachte eine völlige politische Umwälzung und dazu den Übergang zum Christentum. In den nun folgenden Jahrhunderten fand eine gewaltige Erweiterung des Siedlungsgebietes statt durch Klostergründungen, Neugründung von Ortschaften und Erweiterung der schon bestehenden Bauerschaften. In dieser Zeit sind wahrscheinlich die Bauerschaften Hahlen, Wierup, Klein Mimmelage, Wasserhausen, Borg und Renslage entstanden. Der genaue Zeitpunkt ist nicht anzugeben, da aber aus dieser Zeit die ersten schriftlichen Urkunden überliefert sind, mögen die folgenden Ersterwähnungen einen Hinweis geben:

890 Bottorf, Schandorf
1101 Hahlen, Herbergen
1188 Menslage
1490 Wasserhausen
1247 Andorf, Borg, Kl. Mimmelage, Renslage, Wierup

Kirchwinkel 1937

Diese Überlieferungen aus der Anfangszeit der schriftlichen Aufzeichnungen sind mehr oder weniger zufällig, da viele Unterlagen aus dieser Zeit oft durch Plünderung oder Brand verloren gegangen sind. Andorf ist z. B. erst 1247 erstmals schriftlich erwähnt, ist aber nach den zur Zeit gültigen Forschungsergebnissen mit Sicherheit in der frühsächsischen Periode vor 800 n.Chr. entstanden.
Die Anzahl der Höfe im Kirchspiel Menslage erhöhte sich in diesem Entwicklungszeitraum von ca. 18 auf über 100. Weiterhin waren diese Jahrhunderte geprägt durch den Zerfall der direkten kaiserlichen Macht, und dem gegenüber dem Anwachsen des Einflusses der Kirche und des Adels, die über Jahrhunderte Fehden und Kleinkriege um die territoriale Macht im Lande führten. In unserem Raum stritten vor allem die Grafen von Oldenburg, Tecklenburg, Ravensberg und die Bischöfe von Osnabrück und Münster um ihre jeweiligen Machtgebiete. Die Kämpfe zogen sich über viele Jahrhunderte - auch mit wechselnden Fronten - hin, bis letztlich das Bistum Osnabrück die herrschende Stellung erringen konnte. Die Bevölkerung hatte in diesen unruhigen Zeiten schwer zu leiden und Kirche und Adel brachten fast alle Höfe im hiesigen Raum in ihren Besitz. Dies war für die aufsitzenden Bauern verbunden mit dem Verlust des Grundeigentums und der persönlichen Freiheit. Die Gründe für diese Entwicklung können hier nicht erläutert werden, zumal sich diese Veränderungen über längere Zeiträume, nicht einheitlich und von vielen Faktoren beeinflußt vollzogen. Die anfängliche Blütezeit unter den ersten Kaisern klang aus und beginnend im 15. Jahrh. bis zum Ende des 30jährigen Krieges wurde die wirtschaftliche Lage des Volkes immer schwieriger.
Das jetzige Kirchspiel Menslage gehörte bis 1247 zur Parochie Löningen, und politisch zum Machtbereich der Grafen von Oldenburg bzw. Tecklenburg. Zu der Zeit bestand eine Kapelle im Ort Menslage, in der von Löninger Geistlichen der Gottesdienst abgehalten wurde. Nachdem 1245 vom Grafen von Oldenburg in Menslage ein Zisterzienserinnenkloster gegründet wurde, wurde für dieses Kloster ein eigenes Kirchspiel mit den schon zuvor genannten Bauerschaften von Löningen abgepfarrt. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde das Kloster etwa um 1250 nach Börstel verlegt, wobei die Legende der nach Börstel verschwundenen Marienfigur wohl nur ein psychologisches Hilfsmittel war. Mit Menslage blieb das Kloster aber eng verbunden, da es bis zum heutigen Tage das Patronatsrecht bei der Besetzung der Pfarrstelle inne hat, und bis zur Bauernbefreiung im 19.Jahrh. etwa 30 Höfe im Kirchspiel besaß. Beginnend im Jahre 1247 ist das jetzige Kirchenschiff aus Raseneisenstein erbaut worden. Der Turm wurde erst sehr viel später, 1576 - 1579, aus Bruchsteinen errichtet. Der eigentliche Ort Menslage hat sich erst im 18. und 19. Jahrhundert zu seiner jetzigen Größe entwickelt.
Die Reformation wurde in der Mitte des 16.Jahrhunderts auch in Menslage eingeführt. Die folgende Gegenreformation und der 30jähr. Krieg brachten viel Unruhe und Unheil über unsere Heimat. Die Konfession wechselte je nach Kriegslage, und die viel beschriebenen Verheerungen dieses Krieges mußte auch unsere Heimat erdulden. Als Beispiel für die hoffnungslose Lage der Bevölkerung der Passus in einem überlieferten Gerichtsschreiben über einen Hof des Kirchspiels:

...es ist kein Pferd im Stalle, keine Kuh auf die Weide zu treiben und es sind keine Dielen auf dem Dachboden, so dass man vom Herde durch das zerfetzte Dach in den Himmel schauen kann....

Der Friedensschluss von 1648 brachte dann endlich die Wende, und ein gewisser wirtschaftlicher Aufstieg begann. Politisch blieb das bisherige Bistum Osnabrück erhalten, allerdings mit der von der Reichsdeputation in Nürnberg gefassten merkwürdigen Bestimmung, dass abwechselnd ein katholischer Bischof und ein protestantischer Fürstbischof aus dem Hause Braunschweig, jeweils auf Lebenszeit, die Macht inne haben sollte. Für die Bevölkerung wurde das Recht auf freie Religionsausübung bestimmt, jedoch wurde mehr oder weniger willkürlich festgelegt, welche Konfession die einzelnen Kirchspiele haben sollten. Das eigentlich maßgebliche Normaljahr 1624 wurde nicht ausreichend berücksichtigt. Das Kirchspiel Menslage wurde als evangelisch erklärt und konnte somit die hier überwiegend gewünschte Konfession beibehalten. Verwaltungsmäßig gehörte Menslage zum Amt Fürstenau, und die nun gefestigte Staatsmacht des Bistums ermöglichte in den folgenden einhundert Jahren bis etwa 1750 einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Bevölkerung nahm stark zu, Handel und Gewerbe entwickelten sich positiv, und in den Bauerschaften kam es zum Ausbau des sog. Heuerlingswesen. Abgehende Kinder von den Höfen bewohnten Leibzuchthäuser (Altenteilerhäuser) und auch neu errichtete Häuser, und betrieben neben einer kleinen Landwirtschaft oft ein einträgliches Handwerk. Die Pachtzahlung für die landwirtschaftlichen Flächen, die von den einzelnen Höfen zur Verfügung gestellt wurden, erfolgte in der Form von Arbeitsleistung oder auch durch Geldzahlung. Die spätere negative Entwicklung in diesem Heuerleutesystem wird unten weiter erläutert.
In die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs fiel auch die Entwicklung des Schulwesens. Neben der Kirchspielsschule im Dorf gab es zeitweise bis zu 15 sog. Winkelschulen in den zum Kirchspiel gehörenden Bauerschaften. Diese Schulen waren staatlich nicht anerkannt, wurden aber wegen der weiten und schlechten Wege zum Dorf von der Bevölkerung vorgezogen. Letztlich ging die Entwicklung dann zu gleichwertigen Schulen in Menslage, Hahlen, Renslage, Kl. Mimmelage und Borg. Diese Schulen wurden dann erst in unserer Zeit wieder aufgelöst und eine Mittelpunktschule im Dorf geschaffen. Um 1750 begann für das Osnabrücker Land wieder eine unruhige und schwierige Zeit. Das Bistum wurde mit in den 7jährigen Krieg verwickelt. Nach kurzer Friedenszeit begannen die kriegerischen Auseinandersetzungen um die französische Revolution und anschließend die napoleonischen Kriege. Nach der Säkularisierung (Auflösung) aller kirchlichen Staaten nach dem Luneviller Frieden im Jahre 1801 kam das Bistum Osnabrück an das Kurfürstentum Hannover. In den folgenden 13 Jahren wechselte die Staatszugehörigkeit dann noch siebenmal, bis endlich 1813 vorläufig wieder Ruhe einkehrte und unsere Heimat durch den Wiener Kongress dem Königreich Hannover zugeschlagen wurde. In diesen vielen Jahren der verschiedenen Kriege hatten unsere Vorfahren unendliche Belastungen zu tragen. Neben hohen steuerlichen Lasten und Sonderzahlungen waren vor allem die ständigen Einquartierungen und Spanndienste eine drückende Last. Französische, englische, aber auch einheimische Militäreinheiten saugten das Land aus. Für das einfache Volk hatte die französische Herrschaft allerdings auch positive Seiten, da die Verkündung der Menschenrechte einen Hoffnungsschimmer gegenüber den Vorrechten von Kirche und Adel brachte. So wurde zum Beispiel bei der Gründung des Königreiches Westfalen im Jahre 1807 in der Verfassung die Leibeigenschaft aufgehoben, und wenn auch 1813 durch das Königreich Hannover diese Regelung wieder aufgehoben wurde, war langfristig doch eine freiheitlichere Entwicklung eingeleitet worden.
Wirtschaftlich wurde etwa ab 1790 eine umwälzende Änderung eingeleitet, die nach Abschluss etwa um 1825 für die hiesige Landwirtschaft einen großen Aufschwung brachte. Es war die Aufteilung der bisher gemeinsam bewirtschafteten Mark an alle nutzungsberechtigten Höfe. Dies brachte eine enorme Vergrößerung der jeweiligen Nutzflächen mit sich, die dann durch bessere Bewirtschaftung eine vermehrte Viehhaltung ermöglichte und durch mehr Viehdung wiederum höhere Ackererträge. Die nächste große Veränderung war die Bauernbefreiung, die vorangetrieben durch den Osnabrücker Stüve, nach langen schwierigen Verhandlungen vom Königreich Hannover erlassen wurde. Während der französischen Zeit waren Freikäufe schon möglich gewesen, wurden aber wahrscheinlich wegen der schwierigen finanziellen Lage nur von wenigen Höfen in Anspruch genommen. Als Freikaufsumme mußte etwa das 25fache der jährlichen Leistung und ein weiterer Aufchlag für die Ablösung der persönlichen Freiheit gezahlt werden.
Betrachtet man den Zeitraum etwa bis zum 2. Weltkrieg, so kann man von einer relativ stetigen Aufwärtsentwicklung sprechen. Als Stichworte können gelten: Einsatz von künstlichen Düngemitteln, Maschineneinsatz, Melioration durch Entwässerung und Bewässerung, Schaffung von Genossenschaften für Ein- und Verkauf, Gründung von privaten und genossenschaftlichen Molkereien, Teilung und Kultivierung von weiteren Markenflächen. Diese positive Entwicklung war selbstverständlich eingebunden in die allgemeine Entwicklung der Volkswirtschaft, besonders nach Gründung des Deutschen Rei­ches 1871. Wie schon vorne erwähnt, entwickelte sich in diesem Zeitraum auch unser Kirchdorf Menslage zu einem blühenden Zentrum des Kirchspiels. Der Bau der Kleinbahn Lingen - Quakenbrück hat nicht unwesentlich zu dieser positiven Entwicklung beigetragen.
Die geistige und aufklärerische Entwicklung im Kirchspiel wurde insbesondere durch ausgezeichnete Lehrer und Pfarrer gefördert. Hier sind vor allem der Lehrer Foeth und Pastor Möllmann zu nennen. Foeth gründete schon um 1800 einen Leseverein, der von Pastor Möllmann (1810-1839) weiter geführt wurde. Dies war der Beginn einer Entwicklung, die durch weitere Förderer die Aufgeschlossenheit und geistige Beweglichkeit unserer Bevölkerung in hohem Maße positiv beeinflusste.
An der zuvor geschilderten günstigen wirtschaftlichen Entwicklung haben die schon vorne genannten Heuerleute nur in geringem Maße teilgehabt. Die stetige Bevölkerungszunahme übte einen negativen Druck auf die Arbeitslöhne aus, die Saisonarbeit in Holland mit den anfänglich hohen Verdiensten ging zurück, die Heimarbeit des Spinnens und Webens von Flachs konnte gegen die industrielle Verarbeitung nicht mehr konkurrieren, so dass oft bittere Not in den Heuerlingsfamilien herrschte. Die ursprünglich verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Höfen gerieten im Laufe der Zeit in Vergessenheit und es entwickelten sich gewisse ständische Gegensätze zwischen der landbesitzenden und landlosen Bevölkerung. Ungünstig wirkte sich auch die Markenteilung für die Heuerleute aus, da sie keine Ansprüche bei der Verteilung hatten und die bisherigen Nutzungsmöglichkeiten verloren. Die sehr komplexen Umstände können hier nicht erschöpfend behandelt werden.
Es fehlte auch nicht an Versuchen die schlechte Lage zu ändern. Wurde doch schon um 1830 in Menslage ein "Garnverein" gegründet mit dem Ziel, die Erträge aus der Flachsverarbeitung zu verbessern. In der Mitte des 19.Jahrhunderts kam es dann zu einer großen Auswanderungswelle nach Amerika, der sich neben vielen Heuerleuten auch abgehende Kinder von den Höfen anschlossen. Während und nach dem 1. Weltkrieg wurden durch Siedlungsvorhaben des Kreises unter Landrat Rothert durch Kultivierung von Moor und Heide Bauernstellen im Herberger Feld und in Hahnenmoor geschaffen. Wurden auch hier blühende Siedlungen angelegt, so konnte doch für den Großteil der Heuerleute keine grundlegende Lösung gefunden werden, und erst die Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg hat durch allmähliche Auflösung des Systems die Probleme aus der Welt geschafft.
Die politische Entwicklung nach dem l. Weltkrieg, die letztlich zum 2.Weltkrieg führte, hat das Kirchspiel Menslage auch nicht unberührt gelassen. Viele schöne Bauernhäuser fielen Bombenabwürfen zum Opfer und wenige Tage vor Kriegsende, am 9. und 10. April 1945, wurden insbesondere im Dorf viele Wohn- und Geschäftshäuser ein Opfer der schon sinnlosen Kampfhandlungen. Die Kirche mit ihrer wunderschönen Inneneinrichtung und das Wahrzeichen Menslages, die Windmühle am Ortseingang, wurden ebenfalls ein Raub der Flammen. Besonders schmerzlich waren die Todesopfer vieler blutjunger Soldaten und einheimischer Zivilpersonen. Unter schweren Bedingungen wurden sowohl die Kirche als auch die Höfe und Wohnhäuser wieder aufgebaut, und das Kirchspiel zeigt sich heute wieder in neuem Glanz mit vorbildlichen Schul- und Sportanlagen, vielen Sozialeinrichtungen, guten Straßenverhältnissen und ausreichendem Gelände für den Wohnungsbau. Blicken wir auf die über 1000jährige Geschichte zurück, sehen wir uns als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft und spüren die Verantwortung, die uns auferlegt ist, um unsere wunderschöne Heimat für unsere Nachkommen zu erhalten. Die heute schon deutlich erkennbaren negativen Einflüsse auf den ländlichen Raum, die durch die jetzige Wirtschaftsform verursacht werden, sind auch in Menslage spürbar. Es bedarf unserer ganzen gemeinsamen Kraft, damit unsere Heimat auch noch für unsere Kinder lebens- und liebenswert bleibt.

Lübbert zur Borg (1988)